Ein paar Gedanken übers bloggen:
Seine Gedanken, Tagebücher, Geheimnisse, Erlebnisse im Internet veröffentlichen. Für jeden sichtbar.
Bei unserer Recherche zu unserem Roten Salon über „Wilhelmshaven und Schönheit“ sind Georg und ich im Internet auf Dinge gestoßen, von denen ich nie gedacht hätte, dass Menschen sie so freimütig ins Internet stellen würden. Wenn ein Pärchen von ihrer ersten Verabredung erzählt, nachdem sie sich in einem Chat kennengelernt hatten, und wie sie dann zusammen Unterwäsche kauften, so war dies als Nummer auf der Bühne ein großer Erfolg, der sogar von der hiesigen Presse erwähnt wurde. Aber so intime Details aus meinem Privatleben zu veröffentlichen, widerstrebt mir dann doch. Gut ja, ich bin Schauspieler und als solcher per se eitel mit einem ausgeprägten Hang zum Exhibitionismus. (Gott sei dank gibt es aber auch noch andere Antriebe sich auf eine Bühne zu stellen und zu spielen.) Aber diesen Internetexhibitionismus, den wir bei unserer Recherche gefunden haben, und den wir nicht veröffentlicht haben (obwohl er ja schon veröffentlicht war) weil er einfach zu schlimm war, verstehe ich nicht. (obwohl ich ja gerade etwas ähnliches auch mache)
Sich lang und breit über seine Mutterprobleme auszulassen, Hasstiraden auf seine Ex-Freundin loswerden, überhaupt Beschimpfungen zu hauf, das ist wie der Verrückte im Berliner Hinterhof, der Nachts immer das Fenster aufriß und schrie wer gerade alles fickt. Nur er halt nicht...
Traurig.
Und beschissen wird dann doch immer dabei. Denn es ist ja schon im Kopf eines jeden bloggers, dass er seine Schreiberei ja veröffentlicht. Also belügt man sich selbst wo es geht, schiebt die Schuld auf die anderen und überhaupt...
Ja, ich bin mir bewußt, dass ich jetzt grob verallgemeinere und es auch ehrliche, literarisch vielleicht sogar anspruchsvolle Blogs gibt. Das vielleicht auch ein großer therapeutischer Nutzen damit vollbracht wird. Aber wozu?
Wen es nicht interessiert, der lese es nicht.
Aber sich so zu entblößen? Erst Seitenlang seine Trauer beschreiben und dann fröhlich vom durchgesoffenen Vatertag schreiben? Da braucht man ja gar keine Stasi oder Big Brother. Einfach einen Namen ergoogeln, und schon weiß ich alles über dich.
So - worauf ich jetzt hinauswollte ist mir auch nicht klar. Ich wollte nur auch mal etwas in die klare Nachtluft hinausbrüllen, was mir grad so durch den Kopf ging.
Denn eigentlich wollte ich von angefahrenen Berliner Linienbussen und sterbenden Enten in den Händen vom Sicherheitsdienst der Nordseepassage erzählen. Von schön geputzten Glasflächen, die von dummen Vögeln verdreckt werden, weil sie dagegen fliegen und einer Schweigeminute für tote Enten in Schrippenkartons. Aber das kann ich gar nicht.
Ich schließe das Fenster.
Gestern
1. Juni 2007